Es ist verständlich, dass Mieter_innen, die einen Streik befürworten könnten, eine Reihe von Zweifeln haben: Wie funktioniert das? Welche Rechte habe ich und was sind die möglichen Strafen, wenn ich die Miete nicht mehr zahle?
Der emotionale Aspekt ist bei einem Mietstreik wesentlich. Prekäre Wohnungsverhältnisse gibt es überall, jeden Tag. Das grundlegende Element, um einen Mietstreik auszulösen, ist der Mut derjenigen, die sagen, genug ist genug, die sich entscheiden, Risiken einzugehen, die Initiative zu ergreifen. Je mehr Mieter_innen streiken, um so geringer wird das Risiko für den Einzelnen oder die Einzelne.
Moralische Bedenken?
Leider haben wir gelernt, eher an die Interessen von Vermieter_innen, Chef_innen, und Unternehmen zu denken, als an unsere eigenen Interessen. Angeblich kann es uns nur gutgehen, wenn es den Eigentümer_innen von Immobilien und Unternehmen gut geht. Stimmt aber nicht.
Ein schlechtes Gewissen beim Mietstreik ist unnötig: Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Es gibt kein Recht darauf, von den Grundbedürfnissen anderer zu leben. Im schlimmsten Fall können Vermieter_innen wegen eines Streiks in der gleichen Situation landen wie wir selbst, die keinen Immobilienbesitz haben. Das ist wohl zumutbar.
Auch wenn eine Vermieterin / eine Vermieter nett ist und ihr per Du seid: wir dürfen nicht vergessen, dass wir unterschiedliche Interessen haben. Sie können mit uns freundlich tratschen, haben aber die Macht, den Mietvertrag zu kündigen. Der Ort wo wir schlafen, essen, uns freuen und sorgen, uns zurückziehen, gehört immer eigentlich ihnen, und letztendlich haben sie die Macht darüber. Ein Mietstreik ist ein berechtigter Protest gegen diese Eigentumsverhältnisse.
Wenn nicht genug Leute mitmachen…
Ein Mietstreik braucht eine gewisse Reichweite, um erfolgreich zu sein. Wie jeder Streik lebt er von der Anzahl und dem Zusammenhalt der Leute, die sich durch ihr gemeinsames Aktiv-Werden gegenseitig schützen.
»Aber ich kann unmöglich alle auf einmal rauswerfen!« Das schreibt ein Vermieter in Houston (USA) am 25. März 2020 in einem Online-Forum, nachdem er von allen Mieter_innen in „seinem“ Gebäude Briefe bekommen hatte, in denen sie ihre Absicht erklärten, zu streiken.
Viele Leute, die einen Mietstreik grundsätzlich gut finden, befürchten, dass die Aktion schiefgehen könnte, wenn nicht genug Leute mitmachen. Das ist ein gewichtiges Argument, weil es stimmt.
Aber: einen Streik zu organisieren ist möglich: „In vielen Fällen können die Streikenden gewinnen, wenn nur ein Drittel der Mieter*innen einer Immobilie an einem Mietstreik teilnimmt, aber es ist eine ausreichende Reichweite erforderlich, um diese Zahlen zu erreichen und die Drohung, dass sich der Streik ausbreitet, überzeugend zu machen.“
Es sieht so aus, als wäre mit 1. Mai noch kein beträchtlicher Teil der Sbg Mieter_innen in Streik getreten. Zumindest wissen wir nichts davon, ob und wie sich Leute organisieren. (Falls ihr streikt, oder eure Miete stunden lasst: Schreibt uns! Hinterlasst einen Kommentar unter diesem Artikel, oder meldet euch unter mietstreiksalzburg[ät]riseup.net.)
Mittlerweile sagt die Schuldenberatung Salzburg genau das Gleiche, was wir von Mietstreik Salzburg schon zu Beginn der Krise geschrieben haben: Stundungen würden das Problem lediglich verschieben: „Dann habe ich vielleicht die doppelte Miete zu bezahlen: Die gestundete und die aktuelle. Wenn sich meine Situation bis dahin nicht verbessert hat, wird es gefährlich.“
Wir schlagen deshalb eine neue Perspektive vor:
Perspektive: Gestundete Miete nicht zurückzahlen
Interessant wird es Ende des Jahres: mit 31. Dezember wird die ausgesetzte Miete fällig. Leute müssen auf einen Schlag hunderte bis tausende Euro zahlen, verdienen aber nicht dementsprechend mehr. Wir akzeptieren nicht, dass mit Covid-19 auf dem Rücken von Lohnabhängigen und Arbeitslosen Profit gemacht wird. 4% Zinsen, sicher nicht. Es wird nicht zurückgezahlt!
Ein Mietstreik durch die Verweigerung der Rückzahlung ist das beste Unterstützungspaket für Mieter_innen.
Nützen wir die Zeit bis Jahresende: tun wir uns in den Wohnhäusern und Stadtteilen zusammen. Organisieren wir rechtliche Beratung (kennt eine Antwältin / kann sich wer bei der AK Mietrechtsberatung oder beim Mieterschutzverband schlau machen?). Legen wir Notfallgeld für Härtefälle zusammen. Einander zuhören und unterstützen gehört unbedingt dazu. Warum nicht als ersten Schritt unverbindlich die Nachbar_innen auf das Thema ansprechen?
Wir können gewinnen: es wird nicht zurückgezahlt!